(Disclaimer: Ich mache derzeit auch eine Umschulung (FIAE) und bin nach den Sommerferien im 3. (bzw. zeitlich für mich 2.) Lehrjahr. Alle Angaben beziehen sich im Zweifelsfall auf Nordrhein-Westfalen und es mag regionale Unterschiede, auch zwischen IHKs im selben Bundesland, geben.)
Du steigst als Umschüler (und auch als verkürzender Azubi) im 2. Lehrjahr ein, wie andere schon gesagt haben. Das 1. Lehrjahr ist auch nach der neuen Ausbildungsordnung von 2020 noch ziemlich inhaltsleer und lässt sich relativ stressfrei nachholen (subjektive Meinung, aber nicht nur meine). Die berufsbezogenen Sachen sind noch ziemlich grundlegend und für IT-affine Menschen nichts neues. Wirtschaft sollte man vielleicht nacharbeiten, zumindest habe ich das getan, da Wirtschaft nicht so mein Fall ist. Da du angibst Vorwissen zu haben, wirst du dich höchstwahrscheinlich mindestens im 1. Lehrjahr in der Berufsschule sehr langweilen.
Unter die neue Ausbildungsordnung falle ich leider (alle Verträge ab 1.8.2020) und ich werde daher die Prüfung auch nach der neuen Ausbildungsordnung ablegen müssen, obwohl alle Berufsschulen ja noch nach dem alten Lehrplan unterrichten.
Dir sollte folgendes klar sein: Wenn du verkürzt (also 2 Jahre brauchst), wirst du unter den ersten sein, die regulär nach dieser neuen Ordnung geprüft werden. Wenn du 3 Jahre brauchst, wird es immerhin schon ein paar Erfahrungswerte dazu geben. Ob das für deine Entscheidung eine Rolle spielt weiß ich nicht, aber es ist sicher gut zu wissen.
Das ist so nicht ganz richtig. Für die IHK ist man eigentlich nichts anderes als ein regulärer Auszubildender, der das 1. Lehrjahr übersprungen hat. Auch bei einer normalen Ausbildung kann man dies ja tun, wie allgemein bekannt sein dürfte. An einigen Stellen findet sich die Bezeichnung "Umschüler", z.b. habe ich keinen Ausbildungsvertrag, sondern einen Umschulungsvertrag. In der Praxis wird man jedoch nach allem was ich bisher mitbekommen habe exakt gleich behandelt - auch im Betrieb, aber das mag natürlich je nach Betrieb variieren.
Richtig ist allerdings der finanzielle Aspekt. Du wirst in aller Regel bei einer regulären Ausbildung besser vergütet (mehr dazu im nächsten Teil).
Der Abschluss ist am Ende jedoch derselbe IHK-Abschluss wie bei einer regulären Ausbildung. Warum das weniger wert sein bzw. einen schlechteren Ruf als eine Ausbildung haben sollte verstehe ich nicht und halte ich in diesem Zusammenhang für mindestens fragwürdig, vielleicht auch etwas zu subjektiv (ohne etwas unterstellen zu wollen!). Falls eine schulische Ausbildung gemeint ist, kann ich das Argument schon wieder nachvollziehen, aber es war ja von einem Umschulungs- bzw. Ausbildungsbetrieb die Rede, d.h. auch die Umschulung ist in diesem Fall eine (verkürzte) duale Ausbildung!
Man bekommt weiterhin Hartz 4 bzw. ALG II (bei ALG I Bezug bin ich nicht informiert, sorry), der Regelsatz beträgt 446 €. Ferner bekommt man vom Betrieb 100 € monatlich gezahlt und zusätzlich entweder ein Monatsticket für ÖPNV oder Kilometergeld (sofern man mit dem PKW unterwegs ist), um zum Betrieb und zur Berufsschule respektive wieder nach Hause zu kommen.
Ein weiterer Aspekt: Man bekommt (auf Antrag beim Jobcenter) bei bestandener Zwischenprüfung (bzw. Abschlussprüfung Teil 1) 1000 € und bei bestandener Abschlussprüfung (bzw. Teil 2 dieser) weitere 1500 €.
Wenn du keine unfassbar langen Arbeitswege hast, wirst du vermutlich nicht über 600 € hinauskommen. Immerhin ist der Betrag aber dann quasi "netto", d.h. KV etc. zahlt auch weiterhin das Jobcenter. Die meisten FI Azubis bekommen schon im 1. Lehrjahr mehr und in den darauffolgenden ja noch etwas dazu. Bei der Umschulung ändert sich an dem Geld nichts, außer der Hartz 4 Satz wird angehoben.
Ich persönlich habe das große Glück, dass mein Betrieb mich seit diesem Monat als regulären Azubi beschäftigt und ich dadurch >300 € netto mehr bekomme als vorher. Und das Monatsticket für den ÖPNV bekommen in meinem Betrieb alle Mitarbeiter auf Nachfrage. Bei einer geschätzten Restausbildungszeit von 11 Monaten bin ich damit finanziell besser dran, selbst wenn ich die o.g. Bonuszahlungen für die Prüfungen mitrechne.
Meine Empfehlung: Mach eine reguläre Ausbildung, aber verhandle mit dem Chef, dass du direkt von Anfang an das 1. Lehrjahr überspringen möchtest. Die Verkürzung ist m.E. der einzige Vorteil der Umschulung, und den nimmst du auf diese Art mit, ohne die Nachteile zu haben. Von Seiten der IHK gibt es viele Faktoren, die für sich allein schon ausreichen, um um 12 Monate zu verkürzen: Vorkenntnisse (nachweisbar und/oder vom Betrieb bestätigt), bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen, (Fach-)Abitur...
Nachtrag: Ich habe vergessen zu erwähnen, dass das Jobcenter auch sog. ubH (umschulungsbegleitende HIlfen) finanziert, falls du dies in Anspruch nehmen möchtest. Diese sind analog zu den sog. abH (ausbildungsbegleitende Hilfen). Hierbei handelt es sich quasi um Nachhilfe für Azubis/Umschüler und kann dir ggf. dabei helfen, die Inhalte aus dem 1. Lehrjahr nachzuarbeiten. In der Regel kannst du mit dem jeweiligen Bildungsträger absprechen, in welchen Bereichen du Hilfe benötigst.
Ich habe dies aber nur wenige Male wahrgenommen: Zum einen wegen der Pandemie, zum anderen hatte ich es aber auch nicht wirklich nötig (mein Zeugnis besteht nur aus "gut" und "sehr gut").