Guten Tag,
ich spiele schon seit längerer Zeit mit dem Gedanken eine Ausbildung als Fachinformatiker anzufangen. Ich würde mich sehr über euren Rat freuen.
TL;DR: Ich bin heute 27 Jahre alt, habe Abitur und ein abgeschlossenes Studium in einem fachfremden Bereich. Insgesamt bin ich aber nicht besonders glücklich damit und würde mich deswegen gerne umorientieren.
Es folgt meine Lebensgeschichte. Ich habe sie ausführlich gehalten, um eine möglich konkrete Einschätzung zu ermöglichen:
Schulzeit:
Ich habe, bevor ich angefangen habe zu studieren, schon stark zwischen einem Informatikstudium und Jura geschwankt. Es hat nicht viel gefehlt und ich hätte mich anders entschieden. Ich weiß, die Fächer liegen weit auseinander. Hintergrund ist - Informatik war der Traum, Jura die Realität:
Ich bin schon seit ich klein bin generell computerbegeistert und bin es heute auch noch. Ich habe ein paar Computer zusammengebaut und eingerichtet etc. Informatik hat mich interessiert, aber ich habe es mir nicht zugetraut, weil ich in der Schule in Fächern wie Mathe und Englisch nicht gut war. Ich habe während der Schulzeit nie gelernt. Deswegen war ich in Fächern, bei denen man schon etwas nachgelernt haben muss, nicht so gut.
Studium:
Insgesamt war ich in gesellschaftlichen Fächern besser (weil man dort auch ohne Lernen recht weit kam). Deswegen, und weil meine Eltern mich dazu ermutigt haben, habe ich mich damals für ein Jurastudium entschieden. Informatik hatte ich mir damals nicht zugetraut, weil in meiner Bubble Leute waren, die schon tief im Thema drin waren. Verglichen mit ihnen fühlte ich mich zu schlecht dafür.
Im ersten Semester hab‘ ich mehr Zeit fürs Lernen investiert als während meiner kompletten Schullaufbahn. Ich bin mehr oder weniger ordentlich durchs Studium gekommen und habe es deswegen die ersten 6 Semester nicht weiter hinterfragt (Regelstudienzeit 10 Semester). Allerdings war ich auch immer so beschäftigt, dass ich nicht allzu viele Gedanken an die Zukunft verwendet habe oder noch die Möglichkeit gehabt hätte parallel bei Informatik reinzuschauen. Der Berufseinstieg war damals noch weit weg.
Wenn ich etwas anfange, dann ziehe ich es auch durch. Es kam aber immer mehr die Erkenntnis, dass ich lieber etwas anderes machen würde. Aber ich war jetzt schon so lange dabei, dass ich es durchziehen wollte, damit ich nicht mit leeren Händen dastehe. Durchs erste Examen bin ich dann auch besser gekommen, als ich zunächst dachte. Ich war aber damals schon sehr genervt von der ganzen Materie, habe sie aber diszipliniert gelernt. Es war immer nur Arbeit. Privat habe ich mich keine Sekunde damit beschäftigt.
Referendariat:
Dann habe ich noch das Referendariat drangehängt, weil man mit nur einem Examen nicht viel machen kann und man auch bezahlt wird. Verglichen mit dem Studium hat das den Braten auch nicht mehr fett gemacht. Finanziell bin ich mit einem Plus rausgegangen.
Währenddessen war ich immer sehr demotiviert, gerade was die Klausuren anging. Ich bin zwar durchgekommen, aber deutlich schlechter als zuvor (= Volljurist). Ich sehe da einfach nicht meine Zukunft. Ich kann mich, wenn ich einen Praxistermin bin, immer mehr mit den Leuten in der IT identifizieren als mit den Juristen, mit denen ich eigentlich zusammenarbeite. Ich würde lieber zum IT-Team gehören. Ich fühle mich null wie die Juristen, die ich so kennengelernt habe. Es fühlt sich an, als sei ich fehl am Platz.
Heute:
Ich bin leider etwas unentschlossen. Man will immer das, was man nicht hat. Aber das Ganze geht mir schon seit Jahren kontinuierlich durch den Kopf. Ich erkundige mich dann sehr viel über diesen Plan B.
Ich bereue heute sehr, dass ich nicht nach dem Abitur eine Ausbildung als Fachinformatiker oder ein entsprechendes Studium angefangen habe. Allein schon, um zu wissen, ob es mir gelegen hätte. Wenn sich meine Freunde über verschiedene IT-Themen unterhalten, bin ich immer neidisch und wünsche mir im selben Boot zu sitzen. Ich frage mich jetzt, welche Entscheidung ich in 10 Jahren bereuen würde.
Ich bin deswegen sehr mit mir am ringen. Zum einen möchte ich nicht mein Leben lang bereuen es nicht ausprobiert zu haben. Zum anderen fällt es mir sehr schwer die letzten 8 Jahre „umsonst“ abgeleistet zu haben, weil die Schnittstellen zwischen den beiden Bereichen nicht besonders groß sind. Die ganze Zeit über etwas zu lernen, das mich nur mittelmäßig interessiert, hat schon sehr an meinen Nerven gezehrt. Ich habe mir jetzt nicht unbedingt ein Bein ausgerissen, war aber schon diszipliniert und kontinuierlich dabei. Ich erwische mich dann beim Gedanken, wie gut ich in einer Materie wäre, wenn sie mich auch privat interessieren würde.
Insgeheim brenne ich aber schon darauf mich umzuorientieren und endlich etwas zu machen, was mich wirklich interessiert und auch mich in meiner Freizeit mal mit meinem Beruf zu beschäftigen. Diese Einstellung hatte ich nach dem Abitur noch nicht. Da wollte ich mich einfach so „durchwurschteln“.
Für mich stellt sich deswegen die Frage: Was machen?
Erstmal einen Beruf im momentanen Tätigkeitsbereich suchen und immer im Hinterkopf haben, dass ich mich weiterhin eher in der IT sehe, nur um mich dann noch später umzuorientieren?
Jetzt die 180°-Wende machen und komplett von vorne anfangen?
Gibt es eine Möglichkeit vor der Entscheidung herauszufinden, ob mir die Ausbildung liegen würde? Also z.B. schonmal Ausbildungsinhalte anlernen, um zu merken, ob ich damit zurechtkomme.
Gibt es vielleicht noch eine andere Option, die ich bisher nicht im Blick habe? Vielleicht etwas Interdisziplinäres, vielleicht auch erst später, damit mein bisheriger Werdegang nicht komplett für die Tonne war? Etwas wie IT-Recht wäre mir noch zu weit von der eigentlichen Tätigkeit als Informatiker entfernt. Es käme nur ergänzend in Frage.
Vielen Dank für Eure Ratschläge und Erfahrungen!