Ich bin auch manchmal entsetzt von Dokumentationen, die sich stilistisch wie der Aufsatz "Mein schönster Ferientag" lesen. Insofern vollkommener Konsens. Aber trotzdem erkenne ich aus der Zielsetzung der Projektdokumentation nicht, warum die Vergangenheitsform strikt vermieden werden soll.
Schauen wir einmal in die Umsetzungshilfen des BMBF (http://www.bmbf.de/pub/it-abschlussbericht.pdf)
Eine handlungsorientierte Darstellung (dieser Begriff wird auch von unserer IHK in ihren Handreichungen genutzt) ist keine reine technische Dokumentation, keine Benutzerdokumentation oder ähnliches. Präsens dahin, wo es hingehört. Bei der Beschreibung von Programmfunktionen wie im Ausgangsbeispiel sicher. Bei den kundenbezogenen Dokumenten im Anhang auch.
Aber die Projektdokumentation ist viel mehr. Was ist, wenn durch externe Ereignisse Änderungen im Projektablauf notwendig geworden sind. Wenn Tests ergeben haben, dass eine Funktion nicht den Wünschen des Auftraggebers entsprochen hat und daraufhin Änderungen erfolgten? Das muss doch alles dort hinein (handlungsorientiert!). Ein völliger Verzicht auf die Vergangenheitsform ergibt für mich nur dann Sinn, wenn die Dokumentation in Form eines Projekttagebuchs erfolgt.
Die Beispieldokumentationen in den Umsetzungshilfen des BMBF scheinen meine Auffassung da zu unterstützen. Und ich habe den Eindruck, dass unsere Prüfungsausschüsse (Duisburg) das auch pragmatisch sehen. Die ärgert eher ein Blödsinn wie "Soll-Analyse".
Übrigens gilt ähnliches für die strikte Vermeidung der "Ich"-Form mit analogen Argumenten. Ich habe dazu auch schon die Aussage gehört, dass eine zu neutrale Schreibweise manchmal nicht erkennen lässt, wo die Fremdleistungen in einem Projekt aufhören und die Eigenleistung (oder auch Handlung) anfängt.
Gruß,
Borges