Polizei sucht nach junger Frau, die unbedingt eine Schere haben wollte
Martin Klesmann
STÖLLN. Der Säugling, der am Rande einer "Goa"-Massenparty in Stölln (Havelland) tot in einer Miettoilette aufgefunden worden war, ist offenbar ertränkt worden. Dies ergab eine erste Obduktion. "Es hat sich um ein lebensfähiges Kind gehandelt, das geatmet hat", sagt der Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Dieter Plath, am Montag. Das Baby sei "in die Toilette hinein entbunden" worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen vorsätzlicher Tötung gegen unbekannt. Das Polizeipräsidium Potsdam bildete eine Sonderkommission. Eine Reinigungskraft hatte das tote Baby am Sonntag gegen 9.30 Uhr in der transportablen Miettoilette entdeckt. Auf dem Flugplatzgelände von Stölln feierten zu dieser Zeit fast 10 000 Festival-Teilnehmer bei elektronischer Musik.
Personendaten festgestellt
Bei dem Säugling, der am Sonnabend gegen 24 Uhr starb, handelte es sich um eine Frühgeburt. "Es war ein Sieben-Monats-Kind", sagte Plath. Nach Informationen der "Berliner Zeitung" war der Säugling männlichen Geschlechts.
Die Ermittler suchen derzeit nach einer jungen Frau deutscher Herkunft. Sie könnte die Mutter des Kindes sein. Die Frau mit schulterlangen, dunklen Haaren soll am Sonnabend gegen 22 Uhr in unmittelbarer Nähe des späteren Tatorts eine Reinigungshilfskraft nach einer Schere gefragt haben. Die junge Frau habe aber keine Schere erhalten. Dies deckt sich mit dem vorläufigen Obduktionsergebnis: Die Nabelschnur des Säuglings soll nicht fachgerecht durchtrennt, sondern abgerissen worden sein, sagte ein Ermittler. Die Staatsanwaltschaft wollte dies aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bestätigen.
Bereits am Sonntagmittag war die Polizei mit einem Großaufgebot am Ort des Geschehens. Die Polizei geht davon aus, dass die Kindsmutter auf jeden Fall unter den Festivalgästen war. Denn das Festivalgelände war durch Ordner gesichert, so dass kaum jemand von außerhalb auf das Areal gelangen konnte.
Die Polizei war bis zum Montag damit beschäftigt, die Personendaten insbesondere aller infrage kommenden weiblichen Festival-Gäste festzustellen. "Wir haben auch sichergestellt, dass wir bestimmte Personen im Ausland noch ereichen können", sagte ein Ermittler.
Die Veranstaltung auf dem Flugplatz Stölln war von der Sun Entertainment GmbH mit Sitz im mecklenburgischen Camin organisiert worden. "Wir sind nur zufällig auf Stölln gekommen", sagte Thomas Engebrecht, der das Festival maßgeblich organisiert hat. An verkehrsgünstiger gelegenen Orten habe man sich mit den Behörden wegen der zu erwartenden Lautstärke nicht einigen können.
Festival ging weiter
Nicht auszuschließen ist, dass bei der "Goa"-Party auch Drogen eine Rolle gespielt haben. Bereits am Sonnabendnachmittag wurde ein 43-Jähriger auf dem Areal festgenommen, der rund 110 Party-Tabletten und andere Drogen bei sich hatte. Drogenkonsum ist bei Partys der "Goa-Trance"-Szene nicht unüblich. Allerdings zeichnen sich die "Goa"-Festivals meist durch eine betont friedliche und entspannte Atmosphäre aus, so dass "Goa" mitunter auch als "Techno-Musik für Spät-Hippies" bezeichnet wird. Kennzeichnend ist, dass Menschen aus verschiedenen Generationen bei solchen Partys zusammenkommen. Die Party in Stölln ging trotz des Leichenfundes vom Sonntagmorgen noch bis in den Montagmorgen weiter.