Gude, wollte auch mal aus meiner Perspektive meinen Senf dazugeben, da ich vor zwei Jahren genau vor derselben Entscheidung stand.
Ich hab vor 2 Jahren mit 19 mein 1.8er Abi gemacht und hatte viele Optionen in Erwägung gezogen. Aufgrund von Corona war ich einem Non-Präsenz-Studium eher abgeneigt. Aus sozialen und familiären Kreisen hab ich gesehen was so ein restriktives Studium mit einem macht, keine Motivation, wenig soziale Connections etc. . Ein Informatik-Studium war mir zu theoretisch (eher hätte ich ein Wirtschaftsinformatik-Studium präferiert).
Eine Ausbildung ermittelt meiner Meinung nach die beste Praxis die man für den IT-Beruf als Einstieg erhalten kann. Wegen meiner Affinität für das Programmieren hab ich mich dann eine auf 2 Jahre verkürzte Ausbildung als Fachinformatiker Anwendungsentwicklung entschieden. Bei mir war es eher so dass ich die Ausbildung als "Pufferqualifikation" mitnehmen wollte, bis alles wieder in Präsenz ist. Damit überbrücke ich die Pandemie grob und habe eine Qualifikation erhalten, die mich absichert.
Zu Beginn hab ich mir viele Selbstvorwürfe gemacht. Mit einem 1.8-Abi in der Berufsschule zu verkommen war für mich lange Zeit eine Horrorvorstellung. Nach meinem Abi war das Studium mein Ziel, es kam aber alles anders, weil ich die Zeit nicht für reif empfand.
Ich sitze hier nun und schreibe diese Nachricht nach meiner heute abgelegten mündlichen Prüfung, die ich mit einer Gesamtnote von 95 Punkten bestanden hab. Ich hab vor ein paar Monaten angefangen, durch Literaturwerke mein Mathewissen etwas aufzufrischen (Mathe Brückenkurs von Jan Peter Gehrke), um Eingerostetes wieder salonfähig für das Studium zu machen. Du wirst das ein oder andere vergessen, aber das ist normal (meine Freundin (1.4 Abi) studiert Psychologie im letzten Bachelor-Semester und kann sich nicht mal an Polynomdivision und Ableitungen von e Funktionen erinnern).
Ich würde glaub ich meinem alten Ich eine klatschen, wenn ich sehe wie wenig ich die Ausbildung teilweise wertgeschätzt habe. Wäre ich an der selben Situation wie vor zwei Jahren, hätte ich nichts anders gemacht. Was ich mit der ganzen Story sagen will ist einfach: Es ist nicht verwerflich, eine Ausbildung nach einem guten Abi zu starten. Viele machen das. Falls du wirklich über eine Ausbildung denkst, ist das kein endgültiges Ende für dein Studium. Du bist jung hast noch viel Zeit und kannst mit ein wenig Eigeninitiative deine Defizite aufarbeiten. Außerdem bist du ja im Studium da um Neues zu lernen. Es gibt zahlreiche Brückenkurse, die einem auf das Studium vorbereiten. Abgesehen davon sind gelernte Azubis im Fachstudium oft wesentlich besser gestartet als Leute die aus der Schule kommen, da sie wesentlich mehr fachliches Know-How besitzen, und ich kenne super viele Leute, die erfolgreich mit einer Ausbildung in das Studium gestartet sind.
Egal für was du dich entscheidest, es sollte eine Entscheidung sein, die du für dich verantworten kannst. Gehe nicht studieren wenn du "Student" sein willst. Sondern gehe das Fach studieren, weil du dich da siehst und es interessant findest. Willst du mehr Praxis, denke über ein duales Studium an einer Fachhochschule. Aber das letzte Argument gegen eine Ausbildung sollte die Tatsache sein, nicht als Student zu gelten.