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Putzig: Schneeballschlacht gegen Ewiggestrige


Die Murmel

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"Mich macht das nicht nervös", sagt die alte Dame trotzig. Es ist kurz vor Mittag und sie ist mit ihrem Mann im Zug von Grüna nach Chemnitz unterwegs. "Ich habe Blumen in der Hand. Da sieht man doch, daß ich nicht dazugehöre." Die Schaffnerin hatte sie zuvor gewarnt: "Im Bahnhof sind die Neonazis." Sonnabend in Chemnitz: die Innenstadt ist voll. Drei Demon- strationen sind angemeldet. Anhänger des Rechtsextremisten Christian Worch aus Hamburg protestieren gegen die Wehrmachtsausstellung auf dem Schloßberg. Sie sagen: Die Soldaten waren keine Verbrecher, sondern Helden.

Die beiden anderen von bürgerlichen und linksautonomen Gruppen organisierten Protestzüge richten sich gegen diesen Aufmarsch. Sie fürchten die Wiederkehr von Krieg und Nationalsozialismus und wollen sich gegen die Anfänge stemmen. Dazwischen über 1000 Polizisten, die ihren Dienst tun, um die Meinungsfreiheit zu wahren. Ihr Auftrag: Passanten schützen und vermeiden, dass Hitzköpfe auf der einen Seite mit solchen auf der anderen Seite aneinandergeraten.

Am Hauptbahnhof angekommen, nimmt das alte Paar den Seitenausgang. Vorbei am Dönerstand von Ahmed Ali, einem Iraker. Verängstigt lugt Ahmed Ali hinter der Theke seines Ladens hervor, die vielen Rechtsradikalen sind ihm gar nicht geheuer. Einer blickt ihn grimmig an und hebt den Finger zu einem unsittlichen Zeichen. Ali dreht sich um. Nur nicht provozieren lassen.

Während sich die rechtsradikale Szene am Bahnhof sammelt, findet wenige hundert Meter Luftlinie entfernt, auf dem Theaterplatz, die Abschlusskundgebung der Gegendemonstrationen statt. Fast 6000 Menschen waren durch das winterliche Chemnitz gestapft, um "Mut zur Demokratie" zu beweisen. "Ich erinnere mich noch", ruft Oberbürgermeister Peter Seifert ins Mikrofon, "erinnere mich noch an die Menschenkette im Juli 1998, als 5000 bis 6000 Menschen hier zusammenkamen. So viele sind heute auch da. Das ist ein eindrucksvoller Beweis, daß wir die anderen in unserer Stadt nicht haben wollen." Es dürfe nicht zugelassen werden, "daß der Ungeist und die Verharmlosung des Nationalsozialismus um sich greifen".

Die anderen, die die Stadt nicht haben will, werden unterdessen immer mehr. Aber Ali hat keine Zeit mehr, sich zu ängstigen. Denn die Polizisten haben Hunger. Und an diesem Tag sind viele Polizisten unterwegs. Ein kleines Lächeln huscht über das Gesicht des Döner-Mannes. Er fühlt sich jetzt schon sehr viel sicherer. Und es klingelt ganz manierlich in der Kasse.

Oberbürgermeister Seifert ist erleichtert. Im Gespräch mit Bürgern erklärt er: "Gut, daß es hier so diszipliniert abläuft. So kommt die Polizei nicht in die Verlegenheit, die Rechtsradikalen schützen zu müssen." Aber er freut sich zu früh. Denn die große Gegendemonstration löst sich nicht vollständig auf. Viele, vor allem junge Leute, wollen nicht nach Hause gehen. Stattdessen ziehen sie zum Bahnhof. Sie wollen die Marschroute der Rechtsextremen durch die Stadt blockieren.

Am frühen Nachmittag stehen sich dann beide Gruppen erstmals gegenüber. Auf dem Carolaplatz die einen, auf dem Bahnhofsplatz die anderen. Dazwischen hundert Meter Niemandsland, bewacht von der Polizei. Alle warten. Nichts passiert. Denn Worch, der die Kundgebung gegen die Wehrmachtausstellung angemeldet hatte, kommt nicht. Der Mann, der so gerne Deutschland und dann die ganze Welt nach seiner Facon umkrempeln möchte, steckt bei Frankenberg im Stau.

Mit großer Verspätung kommt er dann doch; den 500 meist jugendlichen Demonstranten sind die Knochen kalt geworden, jetzt können sie endlich laufen. "Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht", schreien ihre Stimmen in den schneeverhangenen Himmel. "Nazis raus!" schallt es zurück. In Alis warmer Dönerbude aber ist es ganz ruhig geworden. Aus dem Radio klingt ein Friedens-Liedchen von Nena. "Neunundneunzig Lufballons". Der Geruch von Hammelfleisch und Knoblauchsauce liegt in der Luft. "So ein schönes Land", denkt Ali über Deutschland nach. "Ihr habt Demokratie und könnt alles sagen. Wollen die vielleicht einen Diktator wie Saddam Hussein?"

Die Demonstranten gegen die Wehrmachtsausstellung sind gerade mal fünfzig Meter gelaufen, da geraten sie unter Beschuss der bunten Anti-Faschismus-Fraktion. Die Lage spitzt sich zu. Schneebälle fliegen zu Dutzenden über die grüne Autobarrikade, mit der die Polizei die beiden Extreme trennt. Die Polizei ist es, die die meisten Geschosse abbekommt. Dann klirrt es plötzlich auf der Straße. Flaschen fliegen durch die Luft, auch Steine. Die Militanten unter den Linksdemonstranten machen sich bemerkbar; eine Polizistin wird am Bein verletzt. Am Straßenrand beschimpft ein Mann mit Pelzmütze einen Polizeibeamten, der ihn verdattert anschaut. "Die Nazis tragen verfassungsfeindliche Symbole", wettert er. Es ist ein Mitarbeiter der PDS-Abgeordneten Kerstin Köditz, die auch ganz aufgeregt ist und Verständnis für die Flaschenwerfer findet: "Ich kann den Frust verstehen", meint sie. "Die verstoßen doch klar gegen die Auflagen."

Die Polizei bleibt ruhig, besteht die Bewährungsprobe und führt den Marsch in einem großen Bogen von der Innenstadt weg und wieder zurück zum Bahnhof. Es wird langsam dunkel, ist schon nach 17 Uhr. Ali hat seinen Laden zugemacht und ist nach Hause gegangen. Vor dem Bahnhof gibt es noch eine Rede von Worch. Viel Pathos, wenig Inhalt. Und ganz nebenbei wird noch Werbung für ein "Anti"-T-Shirt gemacht. Kostet zehn Euro. Allmählich löst sich der Spuk auf.

Ein Handy piepst. Der Polizist schaut mit großen Augen auf die Nachricht. Und informiert sofort seine Kollegen über die Dinge, die auch noch wichtig sind im Leben: Der VfL Bochum führt gegen Bayer Leverkusen 1:0.

:D :D :D

Quelle: www.freie-presse.de

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Originally posted by Hexagon

Ähm...öhm....*Grübbel*...Was? Wie jetzt? Kann mich mal einer Aufklären?:confused:

Siehe Boardregeln und auch die Liste der Themen die ins Daily Talk nicht reingehören.

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Originally posted by LoneGunman

Siehe Boardregeln und auch die Liste der Themen die ins Daily Talk nicht reingehören.

Vielleicht ist das gar nicht politisch gemeint...:P :p Denn wenn man sich den Text durchliest ist der ziemlich ironisch geschrieben. Ich fand den Text genial... Nicht wegen seinem Inhalt, sondern wie er geschrieben ist. Sowas nenne ich spritziger Journalismus...:cool: :cool:

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Originally posted by Die Murmel

Vielleicht ist das gar nicht politisch gemeint...:P :p Denn wenn man sich den Text durchliest ist der ziemlich ironisch geschrieben. Ich fand den Text genial... Nicht wegen seinem Inhalt, sondern wie er geschrieben ist. Sowas nenne ich spritziger Journalismus...:cool: :cool:

Ich fand den satirischen/ironischen Anteil des Textes auch überwiegender, als den politischen, aber vielleicht gehts auch der Trend dahin das nicht alle Threads geschlossen werden, die auch nur die Andeutung eines politischen Themas beinhalten.

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Originally posted by Doham

[x] gesittete, sachliche Politikdiskussionen wieder einführen

Idee: Ein eigenes Forum für Politik, und dafür gibt es eigene Berechtigungen. Wenn sich jemand daneben benimmt, wird er aus den Politikforen ausgeschlossen, nicht aber komplett. Ausserdem könnte die Teilnahme nicht standardmäßig aktiviert sein, sondern erst auf Anfrage (und/oder andere "Leistungen" ?) aktiviert werden...

Allerdings stellt sich die Frage: Wer von den Mods will solch einen Aufwand auf sich nehmen...

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/OT

Ich glaube nicht das man extra Foren/Bereiche für die Politik braucht und sich erst qualifizieren muss um dort zu posten. (Abgesehen davon das es ein erhöhter und IMHO unnötiger Aufwand wäre). Das was Fachinformatiker.de braucht wäre eine Rückkehr zur Normalität in Bezug auf Politik/Religion/Weltanschauung. Wir können doch auch über andere Themen weitgehends sachlich diskutieren, also warum nicht auch über P/R/W? :confused:

/OT

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um mal was zum thema zu sagen,

:uli an die 6000 chemnitzer die sich der realität stellen und was dagegen tun.

hiermit möchte ich auch ganz lieb unsern dönermann Ali grüßen.;)

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Originally posted by LoneGunman

/Wir können doch auch über andere Themen weitgehends sachlich diskutieren, also warum nicht auch über P/R/W? :confused:

P/R/W? :confused: was soll das ein?

Aber beim Thema Politik spielen eben oft auch sehr viel Emotionen mit... deswegen kommt es da ja zu solchen "ausfällen".

Bei Themen wie "welches OS bist du" sieht es da doch etwas anders aus ;)

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Ich wollte nur mal kurz berichten, daß ich sollche Demos quasi aus "zweiter Hand" kenne: Mein Vater arbeitet bei der Polizei und hat schon mehrmals bei Demos in der Organisation Dienst getan.

Es läuft im Endeffekt darauf hinaus, daß die Polizei tierischen Streß hat, weil sie die Demo-Leute und Gegen-Demonstranten voreinander schützen muß. So ist das nuneinmal in einer Demokratie: Auch dem Gegner muß man die Möglichkeit zur Meinungsäußerung lassen.

Besonders kritisch wird das bei DEmos von Rechtsradikalen und deren Gegendemonstranten. Je nach Größe der Demo werden schon mal bis zu mehreren Hundert Polizisten zum Demo-Ort hingezogen, um beide Konfliktparteien voneinander zu trennen.

Das ist ziemlicher Streß für die Polizisten, da man a) verhindern muß, daß Gewalt entsteht oder/und eskaliert, und B) Unbeteiligte mit da reingezogen werden. Außerdem muß das Alles noch organisiert (Transport) und koordiniert (Wohin ?) werden.

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