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"Interessierte Selbstgefährdung" in der IT?


Pixelfuchs

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Seit einiger Zeit mache ich mir immer mal wieder Gedanken, um die Auswirkungen moderner Führungsmethoden: Scrum; Steuerung über Ziele, statt konkrete Aufgaben; Förderung der Selbstverantwortung; Beteiligungsprozesse; Förderung des unternehmerischen Denkens; .... Ihr wisst was ich meine. Man arbeitet im Grunde mit den Freiheiten und (ein Stück weit) den Risiken eines Selbstständigen, hat aber trotzdem die Restriktionen und Rahmenbedingungen in einem Unternehmen. Vor kurzem bin ich auf den Begriff "Interessierte Selbstgefährdung" gestoßen. Einen interessanten Artikel dazu gibt es hier: https://www.asu-arbeitsmedizin.com/schwerpunkt/interessierte-selbstgefaehrdung-von-der-direkten-zur-indirekten-steuerung

Seitdem fällt mir dieses Verhalten immer mehr in der IT auf. Sei es sporadisch bei mir selbst, bei Kollegen oder auch im Freundes und Bekanntenkreis. Auch hier im Forum gibt es mehrere Threads, die ein ähnliches Bild zeichnen. Wie ist eure Meinung dazu? Meint ihr, dass wir IT´ĺer für diese Art der Führung und die Gefahren der "Interessierten Selbstgefährdung" besonders empfänglich sind?

Meine Gedanken dazu, die dafür sprechen:

  • Viele von uns haben das Hobby ein Stück weit zum Beruf gemacht und beschäftigen sich auch in der Freizeit mit den Themen. Es gibt nicht die klare thematische Trennung, zwischen Beruf und Freizeit.
  • Viele ITĺer scheinen eine hohe intrinsische Motivation zu haben.
  • Es gibt immer wieder Neues in der IT zu entdecken, erkunden und zu erlernen. Und wir mögen es doch alle neue Features auszuprobieren, statt "nur" unsere Arbeit zu machen.
  • Man hat eine Bindung zu "seinem" System oder "seinem" entwickeltem Programm und möchte es optimieren und verbessern. Und wenn das System "steht" hat man hohen Druck und Stress, es schnell wieder zum Laufen zu bringen.
  • In der IT hat man ohnehin mehr Freiheiten, weil ein Führen über klare Ziele selten möglich ist, da Ziele kaum zu messen sind und die Führungskraft in der Regel kein Fachexperte ist.
  • Das führt dann auch dazu, dass Projektplanungen eher ungenau und selten realistisch sind. Jeder kennt das Sprint-Planning, in dem noch unbedingt ein wichtiges Feature eingebaut werden muss, weil der Kunde es so will. Es ist ja nur das eine Feature. Was das unter der Haube bedeutet wird selten bewertet.
  • Erreichbarkeit, z.B. bei Rufbereitschaft, auch außerhalb der regulären Arbeitszeit.
  • Projektarbeit mit heißen Phasen zum Ende und ein Projekt jagt das nächste.

Bitte nicht falsch verstehen. Diese Freiheiten haben auch viel Positives. In einer "Überdosierung" sind sie jedoch schädlich. Und in Zeiten von Fachkräftemangel oder einem Unternehmen mit Gewinnstreben kann der Bogen schnell überspannt sein.

Wie seht ihr das? Kennt ihr das von euch selbst? Was tut ihr dagegen? Ich bin gespannt auf eure Meinung!

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Letztlich kommt es doch darauf an, wie man diese Arbeitsbelastung wahrnimmt. Wenn man sein Hobby zum Beruf gemacht hat, was ja schon in Teilen ein Widerspruch ist, da das Hobby keine von außen gesteuerten Vorgabe beinhaltet, muss man für sich selbst festlegen, ob auch das unbezahlte Interesse an der Thematik IT dem Arbeitgeber zu gute kommen soll. Es wird in anderen Berufen immer gerne das nun einziehende, lebenslange Lernen herausgestellt. Dummerweise ist das in der IT schon inkludiert, spätestend dann, wenn es neue Produkte oder Verfahren gibt. Hier wird auch vom Arbeitgeber schon vorausgesetzt, dass sich der Mitarbeitende mit dieser Neuentwicklung befasst, ohne hier Zeit und Geld bereitzustellen. Da ist es Aufgabe des nichtselbständig Beschäftigten, klarzumachen, dass das eben eine erhöhte Arbeitsbelastung neben den normalen Aufgaben ist, auch wenn er selbst das nicht so empfindet. Hier nicht deutlich Position zu beziehen, führt genau zu dem im Eingangspost beschriebenen Verhalten, selbstständig mit entsprechender Verantwortung zu arbeiten/arbeiten zu müssen, aber eben ohne die dazugehörige, erhöhte Entlohnung bekommen zu können. Hier wird das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers auf den Arbeitnehmer abgewälzt.

Leider führt das "nerdige" oder besser die starke intrinsische Motivation des ITlers dazu, dass der Arbeitgeber diese Vorteile abschöpft und dann irgendwann einmal als normal ansieht und später einfordert.

Das Ganze dann noch im Spannungsfeld, des die "IT kostet immer nur Geld" führt dann zu einer Kombination, die für den hochmotivierten ITler aus meiner Sicht nur zwei mögliche Situationen offenlässt. Entweder immer mehr zu arbeiten und sehenden Auges in den Burnout zu laufen oder aber einen harten Cut zu machen und den Beruf zu wechseln. 

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Am 25.11.2023 um 09:44 schrieb NotKnown:

Es heißt halt selbst und ständig. Es gibt wohl keine Bezeichnung, die so transparent die Anforderungen darstellt. Eine mögliche Verbesserung wäre selbstständing-mit-dem-Finanzamt .

Also als Selbstständiger bist Du immer mit dem Finanzamt (in Konflikt). Was ist da denn mit Verbesserung gemeint?

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Am 24.11.2023 um 19:13 schrieb Pixelfuchs:

Seitdem fällt mir dieses Verhalten immer mehr in der IT auf.

Und warum? Weil das dein direktes Umfeld ist. Ich höre davon in so ca. jedem Bürojob.

Bevorzugt wenn kein automatisches Zeiterfassungssystem existiert, keine Trennung zwischen privaten und dienstlichen Kommunikationsmitteln gelebt wird oder auf andere Arten die für diese Personen laut eigener Aussage ach so wichtige Work-Life-Balance nicht durch eine klare Grenze eingehalten wird.

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Der Begriff ist mir erst einmal komplett neu, das Phänomen nicht. Kenne ich sowohl von Kollegen, Kunden, Partnergewerken als auch von mir selbst. Als Grund sehe ich auch vorwiegend die Punkte, die du ansprichst. Gerade in kleineren Firmen und im Projektgeschäft ist man ziemlich nah an der Arbeit. Ob es das nun in der IT häufiger gibt, keine Ahnung. Ist wohl immer da so, wo die Tätigkeit etwas dynamischer ist.

Man hat keine standardisierten Vorgänge, die ein anderer vorgegeben hat und macht eine Arbeit, deren Arbeitsschritte genauso jeder andere ausführen kann, sondern es geht um Projekt Know-How, man ist direkt mit den Kunden und anderen Gewerken in Verbindung usw. Im Zweifel steckt eben auch keiner ansatzweise so tief drin. Mit einer Selbstständigkeit würde ich das nun aber nicht vergleichen, da kommen noch ganz andere Themen zu. Aber ja, man fühlt sich verantwortlicher.

Frage ist aber auch wo wir echt von einer Gefährdung reden. Die ist in den Text ja potentiell schon da bei Überstunden oder in der Freizeit was machen. In der Realität kann das aber auch anschließenden Stress deutlich reduzieren. Am Ende sind gerade die Themen, die eher um die mentale Gesundheit gehen ja auch stark verbunden mit dem Empfinden der Arbeit.

Auch sind die Zahlen oft größer. Man produziert eben nicht ein kleines Produkt von der Stange. Wir haben z.B. 1-2 große Projekte im Jahr und viel Kleinkram. Natürlich brennt die Hütte, wenn am Jahresende bei einem der großen Projekte droht, dass es nicht zum Abschluss kommt. Und natürlich ist da auch ein persönliches Interesse dran, da z.B. Sonderzahlungen und co. an sowas hängen, im Zweifel eben auch nicht nur die Eigene.

Hatte z.B. Ende letztes Jahr so ein Fall, was auch gut stressig war. Projekt war umgesetzt und im Herbst quasi Produktionsbegleitung. Bei einem anderen Gewerk, welcher GU war gab es noch ein paar größere Baustellen. Wir haben so gut es geht unterstützt aber für uns war das Projekt quasi durch.

Kurz vor Weihnachten als ich dann Urlaub hatte und eigentlich privat einiges zu klären wegen einem Trauerfall, hat vermutlich die Geschäftsführung vom GU dem Projektleiter die Pistole auf die Brust gesetzt. Ging halt um paar Millionen, die sie gerne noch haben wollten und der Kunde wollte natürlich nicht zahlen, solange es noch grobe Fehler gibt. Der Projektleiter dann auch auf uns gezeigt und so getan als wäre bei denen alles ok und eigentlich alle Probleme bei uns liegen usw., was dann eben auch bedeuten würde keine Zahlung an uns, keine Jahresboni usw.

Was willste machen, die Optionen sind alle Leute bei uns verzichten quasi auf zwei Gehälter aufwärts und es gibt worst case noch Probleme bzgl. der Vergabe von Folgeprojekten usw. oder man kümmert sich drum. Und wer soll sich sonst drum kümmern, wenn nicht der Projektverantwortliche.

Ich mein du hast gewisse Redundanzen, Leute die schon ähnliche Sachen umgesetzt haben, hast einen Haufen an Dokumentationen und hattest eine Projektvorstellung. Kennen lernen die Leute die Projekte da drüber hinaus aber eher bei kleinen Supportfällen. Ist aber eben was anderes, wenn es brennt und gesagt wird ab jetzt jede Störung protokollieren mit Dauer, Analyse bis aufs Bit herunter und den Verantwortlichen/Schuldigen und das dann bitte an den großen Verteiler inkl. Geschäftsführung beim Kunden, dem GU und der eigenen Firma.

Glück im Unglück war dann, dass der Mitarbeiter vom GU mit dem ich zusammengearbeitet hatte eine sehr ehrliche Haut mit dicken Eiern war, der bei der ganzen Eskalation eher seinem eigenen Projektleiter in den Rücken gefallen ist bzw. unverblümt gesagt hat, was Sache ist.

Aber ja, letztlich habe ich mich da sicher auch aus eigenem Interesse dazu entschieden den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Sowohl wegen dem Geld, als auch weil man quasi irgendwo direkt auf mich gezeigt hat. Gab dann hinterher auch eine kleine Gehaltserhöhung aufgrund dieser Aktion.

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Ich gebe diese Woche mein erstes virtuelles Training (F2F letzten Monat).
Ich war um 7:00 heute morgen da um nochmal die letzten Dinge vorzubereiten bzw zu gucken dass noch alles läuft.
Jetzt die Nachbearbeitung, offen Fragen der TN klären bis morgen. Gucken was noch fehlt damit morgen Nachmittag der Test geschrieben werden kann.
Bei 45 Minuten Mittagspause liege ich stand jetzt 16:16 also bei 8:30 und locker 1h kommt noch drauf (Training ist gerade zu ende).
Das zieht sich bis Donnerstag durch. Freitag dann Abbau der Gerätschaften.

Nächste Woche F2F Training, Kunden gehen abends auch gerne mal essen, Kundenbindung.
Samstag drauf dann nach Dubai, vor Ort Schulung da bis darauffolgenden Samstag zurück.
Da kommt auch zeit zusammen.

Aber ich mache das gerne, weil Spaß macht. Vom Lohn ist es auch ok. Weiß nicht ob das unter den Titel des Threads fällt.
Die Stelle davor die ich davor hatte konnte ich 99% aus dem HO machen und war deutlich freier was Zeiteinteilung angeht und hab da auch weniger zu tun gehabt, hab mich aber eher gelangweilt. Fand das in Summe schlimmer.

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Ohne Familie wäre es wohl sogar dauerhaft kein großes Problem, wenn man um 6-7 Uhr daheim ist und dann noch chillen kann, wenn dann aber noch Kinder, Frau und Haushalt warten, ja das geht dauerhaft nicht gut.
Gestern war ich dann um 7 Uhr daheim, dann noch 2h mit den Kids was gemacht und ins Bett gebracht, dann noch etwas Haushalt und die Frau "betüdelt" und dann ging es ab ins Bett, Zeit für "eigene" Dinge: 0,0. Das geht auf Dauer nicht gut.

Muss man sehen wie es 2024 weiter geht. In der Regel ist ein Training alle 1-2 Monate angesetzt.
Sollte sich also einpegeln.

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  • 2 Wochen später...

Ich kann aus meiner beruflichen Erfahrung heraus nicht von einer "interessierten Selbstgefährdung" sprechen. Das Interesse am "beruflichen Erfolg", dass hier zugrunde liegt, scheitert in der IT oftmals an Utopien. Seien es Fehleinschätzungen der Fachkräfte einerseits, andererseits jene der Führungskräfte, seien es Eventualitäten, die jeden noch so feinen Plan durchkreuzen. 

Bisher habe ich keine IT-Abteilung gesehen, die von gefestigten Strukturen, Qualität, Effizienz oder auch von einer ausgewogenen Besetzung gekennzeichnet war.

Darüber hinaus kenne ich genügend Selbstständige, die - getrieben vom beruflichen Ehrgeiz - ihre Gesundheit tatsächlich aufs Spiel setzen. Burnout hier, Herzinfarkte (darunter zwei Todesfälle) dort, schon alles im persönlichen Umfeld miterlebt.

Man sollte seine Grenzen kennen und auch den Mut haben mal Nein bzw. Stopp zu sagen. Der eigene Körper gibt frühzeitig Signale, wenn man ihn überstrapaziert. Auf der anderen Seite gilt die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber für ihre Beschäftigten auf Grundlage diverser Gesetze (u. a. BGB, ArbSchG, ASiG, ArbStättV, JArbSchG, MuSchG, BSchG, AGG, ggf. Regelungen durch die zuständigen Berufsgenossenschaften, ...).

Persönlich setze ich mir keine kurzfristigen Ziele. Ich lasse jeden Tag so kommen, wie er kommt, mit allen Eventualitäten, die ich zum Großteil nicht beeinflussen kann. Nach dem Feierabend versuche ich mich bestmöglich abzuschalten, indem ich mich vom Computer oder Diensthandy entferne, mich draußen bewege und die sozialen Kontakte pflege. Zum Schutz meiner Gesundheit habe ich auch schon mal den Arbeitgeber gewechselt, weil die Belastungen durch die zuständigen Führungskräfte kleingeredet wurden.

Bearbeitet von BittekeinBit
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  • 3 Wochen später...
Am 24.11.2023 um 20:09 schrieb NotKnown:

Gründe eine Familie. Frau und Kind Regeln das für dich, oder die Scheidung. Das wäre dann der Rückfall.

Ich habe das für mich gut geregelt, keine Sorge. 😉

Ich wundere mich nur immer mehr über die modernen Führungsmethoden und wie subtil und manipulierend diese zum Teil sind.

Am 27.11.2023 um 09:01 schrieb allesweg:

Und warum? Weil das dein direktes Umfeld ist. Ich höre davon in so ca. jedem Bürojob.

Bevorzugt wenn kein automatisches Zeiterfassungssystem existiert, keine Trennung zwischen privaten und dienstlichen Kommunikationsmitteln gelebt wird oder auf andere Arten die für diese Personen laut eigener Aussage ach so wichtige Work-Life-Balance nicht durch eine klare Grenze eingehalten wird.

Du hast Recht, dass mein Blick durch das IT-Umfeld geprägt ist. Ich nehme aber im Bekanntenkreis schon einen Unterschied zu anderen Bürojobs wahr. Da ist doch eine größere Distanz vorhanden. Für viele von uns ist IT auch Hobby. Das ist z.B. bei Buchhaltern, Steuerberatern oder Personalern nicht so.

Zum Teil hast du aber recht. Sagen wir es betrifft Berufe, die viele Freiheitsgrade und ein gewisses Maß an Verantwortung haben.

Am 12.12.2023 um 14:21 schrieb BittekeinBit:

Bisher habe ich keine IT-Abteilung gesehen, die von gefestigten Strukturen, Qualität, Effizienz oder auch von einer ausgewogenen Besetzung gekennzeichnet war.

Ich glaube das ist auch ein wichtiger Punkt, den du ansprichst.

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