Ich war bzw. bin in einer ziemlich ähnlichen Situation wie Du. Mache auch gerade eine betriebliche Umschulung in einem eher kleinen Betrieb, welcher im Bereich ERP-Systeme hauptsächlich berät und das bestehende System bei Bedarf durch Erweiterungen ergänzt. Habe letztes Jahr im August dort angefangen und mindestens die ersten 3 Monate bestanden hauptsächlich auch aus Selbststudium sowohl bezüglich Grundlagen Programmieren und Informatik allgemein als vor allem auch zum Kennenlernen des ERP-Systems. Mir ging es am Anfang ganz genau wie Dir, vor allem, da ich kaum Vorerfahrungen beim Programmieren hatte und noch weniger mit dem ganzen Drumherum wie Versionsverwaltung, Docker, IDEs und Frameworks und so weiter. Inzwischen arbeite ich aber tatsächlich auch an den eigentlichen betrieblichen Aufgaben mit, erstelle kleine Erweiterungen oder korrigiere kleinere Fehler im Code. Aber damit habe ich auch erst nach ca. 6 Monaten angefangen und das sind alles Dinge, die nicht Teil von aktuellen Kundenprojekten sind, sondern eher für den eigenen Betrieb gedacht. Was gut ist, weil ich einfach noch total langsam bin, da ich dauernd noch Dinge googeln und rausfinden muss, um die Aufgaben lösen zu können. Aber dabei lerne ich total viel und eben anders als vorher bei den Grundlagen. Und es gibt auf jeden Fall einen ziemlichen Motivationsschub, wenn man das erste Mal sieht, dass der selbst erstellte Code einen tatsächlichen Mehrwert für den Kunden oder den Betrieb schafft und auch so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. Ich kann Dir also sagen, es lohnt sich, diese Anfangsphase zu überstehen, in der man das Gefühl hat, ab einem gewissen Punkt nicht mehr voran zu kommen, weil man nicht weiß, was genau von dieser riesigen Menge an Informationen und Themen denn nun eigentlich wichtig ist für die eigentliche Arbeit und einem der Praxisbezug noch komplett fehlt. Das kenne ich, ist mega frustrierend, gerade wenn es im Betrieb niemanden gibt, der Dir das wirklich beibringen kann... und ich muss Dir leider sagen, dass das auch nach einem Jahr immer noch wieder vorkommt und man denkt "Was mach ich hier eigentlich?". Bei uns ist es auch so, dass es nur einen Entwickler gibt und dieser arbeitet noch mit dem Altsystem, wo die Programmiersprache zwar ähnlich ist, aber der Aufbau ganz anders: da wurde noch prozedural programmiert, im neuen System eher objektorientiert. Daher kann er mir zwar bei allen logischen Problemen helfen, aber nicht so sehr mit dem ganzen Drumherum wie z.B. der Versionsverwaltung mit Git oder den Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Code-Objekten. Was mir sehr geholfen hat bezüglich des Reinkommens in die betrieblichen Projekte war, mir den Quellcode anzusehen und nachzuvollziehen, was dort genau passiert. Dadurch lernt man sowohl viel über Programmierlogik generell als auch über die Sprache und die ganzen Verknüpfungen innerhalb des Programms. Vielleicht geht das bei euch im Betrieb ja auch, dass Du Dir bereits umgesetzte Projekte einmal genau anschauen kannst und versuchst, sie nachzuvollziehen? Und falls keiner Zeit hat, Dir den dann genau zu erklären, sind darin tatsächlich ChatGPT, Copilot und Co. relativ gut drin. Durch dieses Nachvollziehen des Codes tun sich dann auch wieder ganz andere Fragen und Themengebiete auf, die man sich anschauen kann. Für die ganzen Grundlagen zur Informatik und Anwendugsentwicklung allgemein hat mir die Seite von Stefan Macke sehr geholfen und auch das dort empfohlene IT-Handbuch von Sascha Kersken. Falls ihr mit Git arbeitet, kann ich das E-Book empfehlen (gibt es glaube ich entweder auf der Website von Git selbst oder bei GitHub), da werden die ganzen Themen rund um Versionsverwaltung und der Umgang und Workflow mit Git ziemlich gut erklärt. Da wir in unserem Betrieb in der Dynamics 365-Welt arbeiten, nutze ich auch viel Microsoft Learn, aber das wird für Dich wohl nicht so passen. Aber vielleicht findest Du etwas ähnliches, ein gutes Forum oder Udemy-Kurse, die zu euren im Betrieb genutzten Sprachen, Frameworks und so weiter passen? Vor allem aber wichtig: Gib Dir Zeit, Du hast gerade erst angefangen! Wie gesagt, dass Gefühl, irgendwie nicht weiterzukommen und zu zweifeln, wie man denn so nach zwei Jahren ein "fertiger und fähiger" Anwendungsentwickler sein soll, wird Dich wohl die ganze Ausbildung über begleiten. Allerdings habe ich auch schon in anderen Foren von bereits ausgelernten Entwicklern gehört, dass es denen auch nach 5 Jahren Berufserfahrung manchmal noch so geht! Und ein Bekannter, der die Ausbildung bei einem großen, gut strukturierten Betrieb mit sehr gutem Ausbildungssystem gemacht hat, meinte, er hätte eigentlich erst nach der Ausbildung so richtig gelernt, für den Betrieb zu programmieren und das wäre vollkommen okay und normal gewesen. Aber wie am Anfang gesagt, bin ich selbst in einer ähnlichen Situation und kann Dir daher nicht wirklich abschließend sagen, ob es nicht doch besser wäre, sich nochmal nach einem Platz bei einem größeren Unternehmen mit einer guten Ausbildungsstruktur umzusehen... Bezüglich meiner eigenen Umschulung bin ich da auch immer wieder am Überlegen, vor allem hinsichtlich des Abschlussprojekts, für das ich mich absolut noch nicht gerüstet fühle. Aber auf der anderen Seite fühle ich mich in meinem Betrieb sozial sehr wohl, was für mich sehr wichtig ist und genau wie Du habe ich von anderen Betrieben vorher nur Absagen bekommen. Ab einem bestimmten Alter ist es eben nicht mehr so leicht, einen Ausbildungsplatz zu finden und ich bin super dankbar, dass es geklappt hat und ich nicht doch eine überbetriebliche Umschulung machen musste. In der Berufsschule haben wir im 1. Jahr eigentlich gar nicht programmiert, fangen jetzt so langsam damit an, aber so richtige Projekte macht man wohl erst im 3. Jahr und da bin ich dann ja schon nicht mehr da, falls alles gut läuft. Hast Du denn in der BS auch im ersten oder, wie eigentlich bei Umschulung üblich, im zweiten Jahr gestartet? Oder habt ihr sogar eine extra Klasse für die Verkürzer?
Von
Xuni24 · vor 15 Stunden 15 h